Von Alex Steudel
Irgendwie lässt mich das Thema Tradition zurzeit nicht los, also kolumnentechnisch. Freitag ging es hier um RB Leipzig, Montag um Schalke. Beide Themen treffen gerade den Nerv einiger Menschen. Ich weiß das, ich war in den letzten Tagen sehr mit einer relativ neuen Sportart beschäftigt: Mehrkampf auf Twitter.
Aber das ist alles nichts gegen Kaiserslautern.
Als ich gestern erfuhr, dass Fritz Walter heute vor 75 Jahren aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und damit begann, seinen Verein wiederaufzubauen, wurde ich ganz nachdenklich. Der 1. FC Kaiserslautern ist eine Fußballgeschichte mit viel Tradition und wenig Happy End. Der arme Mann muss sich gerade bestimmt täglich mehrmals im Grab herumdrehen.
Morgen läuft das Insolvenzverfahren gegen die Roten Teufel ab: Gläubigerversammlung.
Kaiserslautern ist: Tradition, Titel, Heimat der Weltmeister, siegloser Drittligist. Runtergewirtschaftet. Teams mit kaum erschreckenden Namen wie Verl, Meppen, Zwickau und Bayern II stehen heute vor dem Deutschen Meister von 1951, 1953, 1991 und 1998.
Als ich meine ersten Schritte als Sportredakteur machte, war Kaiserslautern der heiße Scheiß. Im Sommer 1997 kam Trainer Otto Rehhagel mit dem Aufsteiger FCK nach München und besiegte die Bayern am ersten Spieltag 1:0. Naja, ein Ausrutscher, dachten 62999 Augenzeugen plus Ich im Olympiastadion. Beim FC Bayern spielten ja Helden wie Kahn, Matthäus, Basler, Scholl, Elber und Lizarazu. Lautern hatte Reinke, Roos und Schäfer.
Und dann wurde Lautern Meister.
Heute wissen wir: Das war der Anfang vom Ende. Also für Lautern. Der Klub wurde von unzähligen Amateuren derart systematisch runtergerockt, dass man ein Do-It-Not-Yourself-Video draus machen und auf YouTube stellen sollte. Ich kann hier jedenfalls nicht mal im Ansatz alles aufzählen, was schiefgelaufen ist, die Geschiche wäre sogar dem Internet zu lang.
Deshalb in aller Kürze: Alle haben alles falsch gemacht.
Gar nicht lange her, da war der Betzenberg einfach nur furchteinflößend. Ich werde nie vergessen, wie ich da als Reporter hochgestapft bin mit meiner geschulterten Laptoptasche und hinaufschaute und das erleuchtete Stadion sah und sehr beeindruckt war. Vor allem freitagabends, wenn’s schon dunkel wurde, hatte der Betze etwas von Monumentalbau und King Kong. Ein Stadion auf der Spitze eines Berges, im grellen Licht stehend, das wirkt unheimlich und vor allem: uneinnehmbar.
Dann diese Stimmung, wenn man reinging. Auf dem Betze hattest du immer das Gefühl, da spielen 11 gegen 38011 plus Stadionsprecher.